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Compliance: Neue Aufgaben mit dem Strafrecht für Unternehmen

Welche neuen Aufgaben und Pflichten kommen mit dem Strafrecht für Unternehmen auf Compliance Officer zu? Mit Compliance: Neue Aufgaben mit dem Strafrecht für Unternehmen erhalten Compliance Officer einen aktuellen Überblick zum neuen Verbandssanktionengesetz (VerSanG).

Mit dem Gesetzesentwurf zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten (Verbandssanktionengesetz – VerSanG) wird das Strafrecht für Unternehmen eingeführt. Mit dem VerSanG sollen konkrete Zumessungsregeln für Verbandsgeldbußen und ebenso rechtssichere Anreize für Investitionen in Compliance geschaffen werden. Das Strafrecht für Unternehmen führt zu neuen Aufgaben für Compliance. Zugleich soll das Strafrecht für Unternehmen Anreize dafür bieten, dass Unternehmen mit internen Untersuchungen dazu beitragen, Straftaten aufzuklären.

Mit S+P Inside erhalten Sie als Compliance Officer die wichtigsten 10 Punkte zum neuen Strafrecht für Unternehmen auf einen Blick:

  1. Compliance: Neue Aufgaben mit dem Strafrecht für Unternehmen
  2. Legal Inventory als Basis für ein angemessenes Compliance Management
  3. Compliance Management als Schutz vor hohen Strafen
  4. Ein eingerichtetes Compliance Management kann bußgeldmindernde Wirkung haben
  5. Wer übt eine Kontrollfunktion im Unternehmen aus?
  6. Welche Sorgfaltspflichten müssen Unternehmen ergreifen?
  7. Welche Anforderungen gelten für das Compliance Management bei kleinen und mittleren Unternehmen?
  8. Unterlassen und objektive Pflichtwidrigkeit
  9. Wer gilt als Leitungsperson?
  10. Verbandssanktionsregister führt zu deutlich höherem Reputationsrisiko

 

Compliance: Neue Aufgaben mit dem Strafrecht für Unternehmen

 

Compliance: Neue Aufgaben mit dem Strafrecht für Unternehmen

Straftaten, die aus Verbänden (juristische Personen und Personenvereinigungen) heraus begangen werden, können nach geltendem Recht gegenüber dem Verband lediglich mit einer Geldbuße nach dem OWiG geahndet werden. Eine angemessene Reaktion auf Unternehmenskriminalität ist damit nicht möglich.

In der Gesetzesbegründung werden die neuen Aufgaben und Ziele mit dem Strafrecht für Unternehmen wie folgt beschrieben:

Die Höchstgrenze des Ahndungsteils der Verbandsgeldbuße von zehn Millionen Euro gilt unabhängig von der Unternehmensgröße; sie lässt insbesondere gegenüber finanzkräftigen multinationalen Konzernen keine empfindliche Sanktion von Verbandstaten zu und benachteiligt damit kleinere und mittelständische Unternehmen.

Konkrete und nachvollziehbare Zumessungsregeln für Verbandsgeldbußen fehlen ebenso wie rechtssichere Anreize für Investitionen in Compliance. Das geltende Ordnungswidrigkeitenrecht legt die Verfolgung auch schwerster Unternehmenskriminalität zudem alleine in das Ermessen der zuständigen Behörden, was zu einer uneinheitlichen und unzureichenden Ahndung gegenüber Unternehmen geführt hat.

Verbandstaten deutscher Unternehmen im Ausland können auf seiner Grundlage vielfach nicht verfolgt werden. Das für bloßes Verwaltungsunrecht konzipierte OWiG und sein darauf zugeschnit-tenes Verfahrensrecht sind insgesamt keine zeitgemäße Grundlage mehr für die Verfolgung und Ahndung von kriminellem Unternehmensverhalten.

Die somit für die Ahndung allein zur Verfügung stehende Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG weist auch in ihrer aktuellen Ausgestaltung erhebliche Defizite auf und ist für eine angemessene Sanktionierung von Unternehmen nicht hinreichend geeignet. Probleme ergeben sich insbesondere bei der Anwendung auf Auslandstaten, dem Rechtsfolgeninstrumentarium, der Rechtsnachfolge sowie dem Verfahren und bei der Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen.

 

Wer gilt als Leitungsperson?

§ 2 VerSanG regelt den Verband, die Leitungsperson und die Verbandstat.

Ein Verband im Sinne des VerSanG ist

  1. eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts,
  2. ein nicht rechtsfähiger Verein,
  3. eine rechtsfähige Personengesellschaft,

Eine Leitungsperson im Sinne des VerSanG ist

  1. ein Mitglied eines vertretungsberechtigten Organs einer juristischen Person,
  2. ein Mitglied des Vorstandes eines nicht rechtsfähigen Vereins,
  3. ein vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft,
  4. ein Generalbevollmächtigter und, soweit er eine leitende Stellung innehat, ein Prokurist und ein Handlungsbevollmächtigter eines Verbandes,
  5. jede sonstige Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens eines Verbandes verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört,

Eine Verbandstat im Sinne des VerSanG ist

eine Straftat, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte.

 

Wie hoch sind die Sanktionen?

§ 9 VerSanG regelt die Höhe der Verbandsgeldsanktion.

Die Verbandsgeldsanktion beträgt

  1. bei einer vorsätzlichen Verbandstat mindestens tausend Euro und höchstens zehn Millionen Euro,
  2. bei einer fahrlässigen Verbandstat mindestens fünfhundert Euro und höchstens fünf Millionen Euro.

Bei einem Verband mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als einhundert Millionen Euro beträgt die Verbandsgeldsanktion abweichend

  1. bei einer vorsätzlichen Verbandstat mindestens zehntausend Euro und höchstens 10 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes,
  2. bei einer fahrlässigen Verbandstat mindestens fünftausend Euro und höchstens 5 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes.

Bei der Ermittlung des durchschnittlichen Jahresumsatzes ist der weltweite Umsatz aller natürlichen Personen und Verbände der letzten drei Geschäftsjahre, die der Verurteilung vorausgehen, zugrunde zu legen, soweit diese Personen und Verbände mit dem Verband als wirtschaftliche Einheit operieren. Der durchschnittliche Jahresumsatz kann geschätzt werden. Der Umsatz von Verbänden, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, bleibt unberücksichtigt.

Ist eine Tat zugleich Verbandstat und Ordnungswidrigkeit, bestimmt sich das Höchstmaß der Verbandsgeldsanktion nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße, wenn dieses das ansonsten anwendbare Höchstmaß übersteigt.

Ist dem Verband nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Verbandsgeldsanktion sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Verbandsgeldsanktion in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Dabei kann angeordnet werden, dass die Vergünstigung, die Verbandsgeldsanktion in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verband einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt.

 

Verbandssanktionsregister führt zu deutlich höherem Reputationsrisiko

Mit § 54 VerSanG erfolgt die Einrichtung eines Verbandssanktionsregisters. Das Bundesamt für Justiz als Registerbehörde führt ein Verbandssanktionenregister.

Dieses Register enthält:

  1. rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen über die Verhängung von Verbandssanktionen,
  2. rechtskräftige Entscheidungen über die Festsetzung einer Geldbuße nach § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, wenn die Geldbuße mehr als dreihundert Euro beträgt.

 

Legal Inventory als Basis für ein angemessenes Compliance Management

Compliance, das heißt alle Maßnahmen zur Gewährleistung von rechtmäßigem Verhalten aller Verbandsangehörigen im Hinblick auf alle gesetzlichen Gebote und Verbote können die Verfolgungsbehörde und Gerichte schon nach geltendem Recht zugunsten des Verbandes bußgeldmindernd berücksichtigen.

Für die Bemessung der Geldbuße ist es laut Gesetzesbegründung von Bedeutung, inwieweit die bebußte juristische Person ihrer Pflicht, Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden, genügt und ein effektives Compliance-Management installiert hat, das auf die Vermei-dung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss.

Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob die juristische Person in der Folge dieses Verfahrens entsprechende Regelungen optimiert und ihre betriebsinternen Abläufe so gestaltet hat, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden (vgl. BGH, Urteil vom 9.5.2017 – 1 StR 265/16, wistra 2017, 390).

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung und eine gefestigte Rechtsprechung fehlen allerdings von Compliance-Maßnahmen in das weite Ermessen von Verfolgungsbehörden und Gerichten gelegt sind, was die Rechtssicherheit und den Anreiz für Investitionen in Compliance beeinträchtigt.

 

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Ein eingerichtetes Compliance Management kann bußgeldmindernde Wirkung haben

Wenn eine Verbandsgeldsanktion aufgrund besonderer Umstände nicht erforderlich ist, um zukünftige Verbandstaten zu vermeiden, nach einer Gesamtwürdigung der Tat und ihrer Folgen besondere Umstände vorliegen, die die Verhängung einer Verbandsgeldstrafe entbehrlich machen, und die Verhängung der Verbandsgeldsanktion auch nicht zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten ist, eröffnet § 10 VerSanG die Möglichkeit der Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt.

Die Verwarnung kann mit Auflagen und Weisungen verbunden werden. Die Regelung ist der Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB nachgebildet. Sie kann insbesondere Compliance-Maßnahmen Rechnung tragen. Das neue Strafrecht für Unternehmen führt folglich zu verschärften Pflichten im Compliance Management und zu erweiterten Aufgaben als Compliance Officer.

 

Wer übt eine Kontrollfunktion im Unternehmen aus?

Kontrollfunktionen haben neben den Mitgliedern eines Aufsichtsrates auch Personen, denen die Verantwortung für einen abgrenzbaren Unternehmensbereich oder für einen abgrenzbaren Teil der betrieblichen Aktivitäten eines Verbandes obliegt.

Erfasst sein können je nach Ausgestaltung des übernommenen Verantwortungsbereiches zum Beispiel

  • Rechnungsprüfer,
  • mit Weisungsbefugnissen ausgestattete Umwelt- oder Datenschutzbeauftragte,
  • der Compliance-Beauftragte und
  • der Leiter einer Innenrevision.

 

§ 130 OWiG regelt weiterhin die Leitungs-, Koordinations-, Organisations- und Kontrollpflichten

Hinsichtlich der angemessenen Maßnahmen der Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht kann im Wesentlichen auf die zu § 130 OWiG entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Wie die „erforderliche“ und „gehörige“ Aufsicht nach dieser Vorschrift müssen die Maßnahmen der Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht zur Abwendung von Straftaten rechtlich zulässig, geeignet und notwendig sein, ohne das Maß des Zumutbaren zu überschreiten.

Dazu gehören Leitungs-, Koordinations-, Organisations- und Kontrollpflichten, wobei die Aufsicht auch die Pflicht umfasst, gegebenenfalls gegen strafbares Verhalten einzuschreiten und Sanktionen anzudrohen und soweit erforderlich zu verhängen.

Dabei sind auch die Grenzen des für die aufsichtspflichtige Leitungsperson Zumutbaren und die Eigenverantwortung der handelnden Nicht-Leitungspersonen zu beachten und zu berücksichtigen, dass überzogene, von zu starkem Misstrauen geprägte Aufsichtsmaßnahmen den Betriebsfrieden stören und die Würde des Arbeitnehmers verletzen können (vgl. BGH, Beschluss vom 11.3.1986).

Auch Arbeitnehmern durch Compliance-Regeln auferlegte Mitwirkungspflichten (z. B. die Pflicht, den Ver-dacht einer Straftat anderer Mitarbeiter zu melden) dürfen die schutzwürdigen Belange der Arbeitnehmer nicht unterlaufen. Die Leitungs-, Koordinations-, Organisations- und Kontrollpflichten können insbesondere durch Compliance-Maßnahmen erfüllt werden, ohne dass der Tatbestand unmittelbar zur Schaffung eines Compliance-Programms verpflichtet. Auch führt das Bestehen eines Compliance-Programms nicht unmittelbar zur Sanktionslosigkeit.

 

Welche Sorgfaltspflichten müssen Unternehmen ergreifen?

Entscheidend ist laut Gesetzesbegründung vielmehr, ob die Sorgfalt angewandt wurde, die von einem ordentlichen Angehörigen des jeweiligen Tätigkeitsbereichs verlangt werden kann. Welche Maßnahmen und Vorkehrungen erforderlich sind, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab und dabei insbesondere von Art, Größe und Organisation eines Unternehmens, Gefährlichkeit des Unternehmensgegenstandes, Anzahl der Mitarbeiter, den zu beachtenden Vorschriften sowie dem Risiko ihrer Verletzung.

 

Welche Anforderungen gelten für das Compliance Management bei kleinen und mittleren Unternehmen?

Bei kleinen und mittleren Unternehmen mit geringem Risiko von Rechtsverletzungen können auch wenige einfache Maßnahmen ausreichend sein; der „Zukauf“ eines Compliance-Programms oder von Zertifizierungen ist insoweit regelmäßig nicht erforderlich.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass ein lückenloser Schutz gegen Straftaten nicht zu gewährleisten sein wird und Compliance-Maßnahmen insbesondere dort ihre Grenzen finden, wo der Täter aus verbandsfremder Motivation handelt und fest zur Tat entschlossen ist, sodass auch eine weitreichende Compliance wirkungslos bleiben müsste. Bei solchen Exzesstaten sind zusätzliche Compliance-Maßnahmen nicht geeignet, Straftaten zu verhindern.

Compliance-Maßnahmen können zudem bei der Auswahl der Art und der Höhe einer Sanktion (§ 10 Absatz 1 Nummern 1 und 2, § 15 Absatz 3 Nummer 6 und 7) sowie bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des Absehens von der Verfolgung vorliegen (§§ 36, 37), Berücksichtigung finden.

 

Unterlassen und objektive Pflichtwidrigkeit

Das Unterlassen der Vorkehrungen muss objektiv pflichtwidrig und die dadurch geschaffene Gefahr einer Straftat objektiv erkennbar sein. Nicht erforderlich ist im Unterschied zu § 130 OWiG, dass die Leitungsperson die Aufsichtsmaßnahme vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat. Die Anknüpfung der Verbandsverantwortlichkeit erfolgt an die volldeliktisch begangene Verbandstat. Das Unterlassen von Vorkehrungen ist objektiv festzustellen.

Verbandssanktionsgesetz

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